Das Ding mit den Zähnen
Gepostet am 23. Juli 2013 • 6 Minuten • 1156 Wörter
Vorgeschichte
Alles begann vor etwa 7 Jahren glaube ich. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, irgendwann in der Realschulzeit passierte es auf jeden Fall. Ich sprang über eine Kante, als ich auf dem Weg zu meinem Schulbus abkürzen wollte, und blieb mit meinem Fuß hängen. Den Sturz federte ich mit meinen beiden oberen Schneidezähnen ab. Ich glaub man kann sagen, dass die Zähne das nicht so gut fanden. Vom sichtbaren Teil des ersten Schneidezahnes wurde fast die Hälfte zertrümmert, beim anderen brach nur eine große Ecke heraus. Das Gefühl, das der kalte Waschlappen auf meinen halb abgebrochenen Zahn verursachte, läuft mir heute noch eiskalt den Rücken herunter, so unangenehm war es.
Danach wurden dann die abgebrochenen Zahnstücke ersetzt und meine Zähne geschient. Diese Schiene war auch eine nicht so leckere Angelegenheit. Ich weiß nicht, woraus sie war, aber so ziemlich alles was ich gegessen habe, war nachher in diesem irgendwie fusseligen Ding drin. Ich weiß auch nicht mehr wie lange ich diese Schiene getragen habe. Aber ich war froh, als ich sie wieder loswerden konnte. Meine Schneidezähne sehen seit dem nicht hübsch aus, machen aber ihren Dienst (Siehe Fotos weiter unten).
Die Zyste
Ich habe mit meinen Schneidezähnen seitdem nie Beschwerden gehabt. Doch zufällig war genau unter dem halb abgebrochenen Zahn, der schon seit geraumer Zeit eine etwas dunklere Färbung entwickelte, eine Beule im Mund. Meine Ärztin identifizierte sie als eine Zyste, wusste es aber selber nicht so genau und verwies mich an einen Gesichtschirurgen. Da die Zyste nicht wehtat, unterschätzte ich die ganze Geschichte etwas und schob den Termin eine ganze Weile hinaus. Schließlich ging ich dann irgendwann hin und ja, es war eine Zyste und die musste raus.
Dann folgte meine zweite OP unter Vollnarkose. Die Narkoseärztin erkannte mich sogar wieder
, nachdem das Wort vegan fiel. Bei der OP stellte sich wohl heraus, dass die Zyste doch wohl etwas größer war, als erwartet. Der Chirurg nannte sie später “riesen Gerät”. Er musste bei der OP zwei Zahnwurzelspitzen kappen, um die Zyste entfernen zu können. Einer dieser Zähne war der halb abgebrochene Problemzahn, der andere war kein Schneidezahn, sondern ein Eckzahn, der bis dahin völlig gesund war. Eine Woche später war mein Mund dann wieder benutzbar. Ich dachte in diesen Moment in all meiner Naivität, dass es damit wohl erledigt wäre, auch wenn mein Chirurg anmerkte, dass es eventuell nur ein paar Jahre halten würde.
Keinen Halt
Es war mein Zahnarzt, der mich bereits einen Monat danach mit der nächsten Schocknachricht beglückte. Es war eine Routineuntersuchung und er stolperte über den Verschluss des Wurzelkanals an meinem Schneidezahn. Ich erklärte ihm die Geschichte mit der Zyste und eigentlich wollte er nur das Medikament erneuern. Irgendwie war der Wurzelkanal aber wohl schon dicht und dann wackelte ihn der Zahn ihm auch noch zu viel. Also wollte er sicherheitshalber noch ein Röntgenbild. Mein Zahnarzt guckte schon verdächtig lange auf das Röntgenbild, bevor er mir erklärte, dass der Schaden durch die Zyste wohl zu groß für meine Zähne wäre. Durch den fehlenden Knochen unter den Zähnen ist dort nun ein Hohlraum, in welchen wohl leicht eine Entzündung entstehen könnte, die mir auf mein Immunsystem schlagen würde und das Nachbilden von Knochen wohl wesentlich verzögern würde. Zudem hätten die beiden Zähne über dem Hohlraum wohl sehr wenig Halt. Dazu käme, dass der Problemzahn wohl die Entzündung ausgelöst habe und immer noch Gewebe enthalte, welches eine neue Zyste oder Ähnliches auslösen könnte. Er machte sehr deutlich, dass er sehr unglücklich mit dem Status quo war, und schickte mich damit wieder zum Chirurgen. Davor erklärte er mir noch mal den besten Weg, das Problem zu lösen. Bei dem Chirurgen bekam ich die Aussagen meines Zahnarztes nur noch einmal bestätigt.
Der Plan
So, wie repariert man nun diesen Mundbereich? Das Zauberwort heißt Implantat. Allerdings benötigt auch ein Implantat einen soliden Halt. Aber der Knochen, der für so etwas infrage kommt, ist bei mir nicht mehr vorhanden. Weggefressen durch die Zyste oder so. Also muss in meinem Loch im Mund ein neuer Knochen gezüchtet werden, mit Knochenmark aus meiner Hüfte. Nachdem der Knochen gezüchtet wurde, kann ein Sockel für ein Implantat gesetzt werden. Während der gesamten Zeit, die mein Chirurg auf ein Jahr schätzte, habe ich keine richtigen Zähne an dieser Stelle in meinem Mund. Nur eine Prothese. Ihr glaubt gar nicht, wie ich mich über diese Nachricht gefreut habe (ich hoffe, die Ironie an dieser Stelle sticht ins Auge). Das Beste kam natürlich zum Schluss. Von der Krankenkasse wird nicht viel davon übernommen und die ganze Aktion (Zähne ziehen, abheilen lassen, Prothese, Knochen mit Knochenmark nachzüchten, Implantat setzen und schließlich Krone draufschrauben) kostet wohl in etwa 6000€ wenn ich Pech habe. Glücklicherweise spare ich mein halbes Leben auf irgendwas. Jetzt weiß ich, wofür ich gespart habe. Von meinen Ersparnissen wird auf jeden Fall nicht viel übrig bleiben.
Tschüss Zähne, Hallo Prothese!
Vor einer Woche wurden mir dann schließlich die beiden kaputten Zähne gezogen. Das Herausziehen war nach der Betäubung relativ unspektakulär. Die Zähne hatten sowieso keinen Halt mehr, waren also nicht so schwer zu entfernen. Mein Chirurg nutzte die Gelegenheit aber noch gleich um den letzten Rest Zystengewebe / angefressenen Knochen / was auch immer, aus dem Kiefer auszuschälen. Trotz Betäubung war das extrem unangenehm und teilweise schmerzhaft (der Knochen saß teilweise direkt an meiner Nasenunterwand und der Chirurg stach mir dort direkt in die Nase, was schmerzhaft war). Der restliche Vorgang fühlte sich halt an, als wie, wenn jemand mit einem Brecheisen versucht, einen Knochen auszuhebeln / auszukratzen. Ich war danach also erst einmal bedient.
Der Zahntechniker, der mir anschließend meine tolle neue Prothese vorstellte, wollte sich das Zähnziehen auch mal angucken. Das Zähneziehen war auch kein Problem für ihn. Doch als er mit ansehen musste, wie der Zahnarzt an meinen Knochen herumwerkelte, verließ er mittendrin das Zimmer mit einem sehr blassen Gesicht. Ich weiß zwar nicht so genau, was der Chirurg da gemacht hat, aber es war für alle Beteiligten wohl keine schöne Sache.
Als Prothese habe ich dann etwas “Besonderes” bekommen, was wohl relativ neu ist (Siehe Coverbild für ein Vergleichsbild mit und ohne Prothese). “Valplast” nennt sich das Ding. Es ist wohl schwer kaputt zu bekommen, langlebig und hat nicht die sonst üblichen Klammern. Optisch kann man den Unterschied auch nicht erkennen, wenn ich meine Prothese trage. Sie sitzt fest und die Zähne sehen besser aus als meine alten. Optisch ist das also eine schöne Lösung, an der ich auch nichts zu meckern habe.
Vom Tragekomfort habe ich keine Erfahrungen bei solchen Prothesen. In einen Apfel beißen geht mit der Prothese direkt momentan nicht. Mein Mund fühlt sich auch etwas auseinandergedrückt an durch die Prothese, vielleicht Gewöhnungssache? Sie sitzt fest und ist trotzdem nicht schwer herauszunehmen. Von den Essensresten, die das Ding so im Laufe eines Tages aufsammelt, erzähle ich euch jetzt lieber nicht.
Soviel zu meinen Zähnen. Ich schreibe bei Gelegenheit, spätestens wenn die ganze Prozedur durch ist, noch einmal einen kleinen Beitrag zu dieser Geschichte.